Taktplanung und Taktsteuerung: Der Ursprung einer Methode

Mehr Transparenz, bessere Koordination und gesteigerte Produktivität: Die Methode Taktplanung/Taktsteuerung (TPS) steht für tägliches Leistungsmanagement. Foto: Shutterstock.

Jörn Steinbeck hat das Montageband auf die Projektindustrie übertragen

Der Erfinder der Projektmanagement-Methode Taktplanung/Taktsteuerung (TPS) ist Jörn Steinbeck. Seine Entwicklung aus dem Jahr 2008 findet inzwischen weltweit Einsatz in der Projektindustrie und wird an verschiedenen Universitäten gelehrt. Taktplanung/Taktsteuerung hat sich besonders im Lean-Construction-Bereich als Standardmethode etabliert. Doch wie kam es zu dieser Idee? Wir haben Jörn Steinbeck, Partner der Lean Group, zu Ursprung, Anwendung und Nutzen seiner Methode befragt:

Warum gehört Taktplanung und Taktsteuerung in den Methoden-Koffer eines jeden Bauleiters?

Jörn Steinbeck: „Die Methode Taktplanung/Taktsteuerung sorgt für eine geregelte Baudurchführung, die auch in der Endphase kontrolliert und nach Plan verläuft. Traditionell hat im Handwerk die Arbeit den Weg gezeigt. Fehlte ein Meter Fußleiste, fuhr man noch einmal in den Baumarkt. Mit der Methode Taktplanung/Taktsteuerung berechnen wir den Einsatz unserer Ressourcen vollständig vorab. Wir synchronisieren Gewerke, vermeiden Leistungsspitzen und halten unsere Termine ein. Das schafft einen ruhigen, sich wiederholenden, rhythmischen Bauablauf.“

Jörn Steinbeck hat die Methode Taktplanung/Taktsteuerung entwickelt. Bevor er Lean-Maritime- und später Lean-Group-Partner wurde, war der Wirtschaftsingenieur bei IBM und Porsche Consulting tätig. Heute konzentriert sich seine Entwicklungsfreude auf Industrie-4.0-Lösungen: Am Institut für Produktivität realisiert Jörn Steinbeck mit der OEE-Cloud künstliche Intelligenz zur Produktivitätssteigerung. Foto: Lean Group.

Was bedeutet „Takt“?

Jörn Steinbeck: „Der Takt ist der Rhythmus, in dem ich mein Produkt erstelle. Ein Wiederholelement. In der Projektindustrie ist das Wiederholelement – im Gegensatz zur Massenproduktion – nicht immer offensichtlich. Doch Wiederholelemente finden sich in jedem Bauprojekt, sei es der Meter Wand, der Quadratmeter Boden oder ein ganzes Zimmer. Wir als Projekt- bzw. Prozessmanager suchen diese Wiederholelemente und bekommen den Herstellungsprozess dadurch unter volle Kontrolle.“

Wie plane und steuere ich den Takt?

Jörn Steinbeck: „Die Taktplanung ist die Vorbereitung aller Bauaktivitäten. Mit der Austaktung zerteile ich die Arbeit, um sie besser zu organisieren. Die Elemente werden einzeln bearbeitet und am Schluss wieder zusammengefügt. Dafür erstelle ich einen Terminplan über die gesamte Durchlaufzeit des Projekts, an dem sich alle Gewerke und die gesamte Logistik ausrichten. Der Takt- und Terminplan ist vertragsrelevant. Die Nachunternehmer werden entsprechend qualifiziert. Jeder muss genau verstehen, was er wann, wo und wie erledigen muss. Das ist der Schlüssel. Die Taktsteuerung gilt dann der Überprüfung. Während der Bauphase wird nahezu in Echtzeit geprüft, ob der Takt eingehalten wird. Bei Abweichungen wird unmittelbar gegengesteuert.“ 

Wie gelingt der Echtzeit-Überblick über einen Projektverlauf?

Jörn Steinbeck: „Den genauen Überblick über den Stand aller Bauaktivitäten gibt die Taktsteuerungstafel. Sie steht in dem Abschnitt, in dem gerade gebaut wird. Grüne, gelbe oder rote Markierungen geben aktuelle Antworten auf die Frage ‚Erbringt ihr eure Leistung bis Taktende?‘. Grün bedeutet ja. Gelb steht für den Bedarf an zusätzlicher Unterstützung. Rot hieße nein, definitiv nicht. Abweichungen – beispielsweise aufgrund fehlender Mitarbeiter, ausstehender Entscheidungen, mangelhaften Materials oder auch witterungsbedingter Störungen – sind in einem Bauprojekt absolut normal. Wichtig ist, die Probleme sofort zu erkennen, um sie schnell zu lösen. Das gelingt mit der manuellen oder auch digitalen Taktsteuerung.“

Welche Verbesserungen hat die Methode mit sich gebracht?

Jörn Steinbeck: „Sie ist absolut. Bei der Taktplanung und Taktsteuerung übernehmen wir einen Industrial-Engineering-Ansatz. Wir kalkulieren einen Ressourcenbedarf über die gesamte Projektlaufzeit und können erwarten, dass die Rechnung aufgeht. Wir wissen, an welcher Stelle wie viele Leute nötig sind, um die vorgesehene Arbeit im vorgesehenen Zeitraum zu erledigen. Wir planen nicht für eine Woche, sondern für mehrere Monate oder Jahre. Es gibt keinen Puffer. Beispielsweise müssen die Maler ihren Bauabschnitt innerhalb einer Woche fertigstellen, sie dürfen nicht noch einmal zurückkommen. Das ist neu. Hergebrachte Methoden haben eher auf eine Art operatives Reagieren gesetzt, nicht auf konsequente Planung.“

Wie kam es zu der Idee, das Montageband auf die Einzelfertigung zu übertragen?

Jörn Steinbeck: „Die Idee kam bei einem Hotelbau. Es war das erste Bauprojekt, zu dem ich hinzugezogen wurde. Sechs Wochen vor der Übergabe des 380-Zimmer-Hotels hatten wir 380 individuelle Baustellen. Das war das reine Chaos. Bei 380 Baustellen weiß einfach keiner, an welcher Stelle noch welche Leistung erbracht werden muss. Da habe ich auf einem Flipchart hinter der Tür eines Baucontainers mit der Analyse begonnen. Schließlich saßen wir zusammen am Schreibtisch und haben uns die Frage gestellt, wie wir es schaffen, ein Projekt von Anfang bis Ende stabil und effizient durchlaufen zu lassen. Wir haben die Linie gesucht, an der alles entlangläuft. In der Automobil-Produktion fährt die Karosserie auf einem Montageband durch die Fertigung. Das funktioniert mit einem Hotel natürlich nicht. Daher mussten wir die Menschen und die Materialien bewegen. So entstand das Bild eines Zugs, der durch das Hotel fährt – entlang der Wiederholelemente: In jedem Waggon sitzt ein anderes Gewerk.“

Wie hat sich die Methode Taktplanung/Taktsteuerung seit ihrer Entstehung weiterentwickelt? 

Jörn Steinbeck: „Ihr Einsatzgebiet hat sich deutlich erweitert. Früher haben wir den reinen Bauablauf getaktet, heute nutzen wir den Effekt der Methode im gesamtem Auftragsabwicklungsprozess – von der Projektierung und Konstruktion über Einkauf und Bau bis zur Inbetriebnahme. Zudem ist die Taktplanung dynamischer geworden. Wir kombinieren sie im hybriden Projektmanagement mit der Lean-Logik und mit der agilen Denkweise. Auf diese Weise erreichen wir robuste und reaktionsfähige Strukturen, auch in hochkomplexen Projekten.“ 

Für wen eignet sich die Methode Taktplanung/Taktsteuerung?

Jörn Steinbeck: „Prädestiniert ist die Methode für den Bau von Hotels, Geschosswohnungen oder Krankenhäusern sowie für den Bau und die länderübergreifende Abwicklung von Großanlagen. Wer gerne vorausdenkt, klare Abläufe in der Abwicklung auf der Baustelle schätzt und seine Termine einhalten möchte, wird sich für diese Methode entscheiden.“

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