Der Markt des Militärschiffbaus befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel. Theo Herzog, Geschäftsführer der Lean Maritime GmbH, zeigt den spezialisierten Werften neue Wege auf. LMCP hat nachgefragt:
Herr Herzog, vor welchen Herausforderungen steht der europäische Militärschiffbau aktuell?
„Die Rahmenbedingungen der marinen Rüstungsindustrie haben sich innerhalb der letzten zehn Jahre von Grund auf verändert. Regierungen stellen einen vergleichsweise kleinen Etat für die Herstellung von Militärschiffen bereit. Zugleich erwarten sie deutlich kürzere Lieferzeiten – teils bis zu fünfzig Prozent. Wurden früher ganz selbstverständlich die Werften des eigenen Landes bevorzugt, schreiben die Länder Großaufträge heute europaweit oder gar international aus. Das hat die Landschaft des europäischen Militärschiffbaus bereits maßgeblich verändert – und damit auch die Konkurrenzsituation für kleinere, unabhängige Werften. Ein aktuelles Beispiel für diese Entwicklung ist der Dreißig-Milliarden-Euro-Etat, den Australien für den Bau von U-Booten an eine Werft in Frankreich vergeben hat.“
Welche Maßnahmen können Marinewerften ergreifen, um im internationalen Vergleich wettbewerbsfähig zu bleiben?
„Der Netzwerkgedanke muss die nationalorientierten Strukturen ablösen, auch im operativen Geschäft. Zwei große Werften in Frankreich und Italien haben es vorgemacht, sie haben sich über die Landesgrenzen hinweg zusammengeschlossen. Insbesondere die deutsche Marineschiffbau-Branche wirkt geradezu zerborsten. Durch Kooperationen, auf nationaler oder europäischer Ebene, können traditionelle Werften aufholen und international agieren. Wobei der Zusammenschluss allein nicht ausreicht. Jedes am Militärschiffbau beteiligte Unternehmen muss deutlich schneller und günstiger produzieren als bislang. Bei gleichbleibender Qualität, versteht sich. Jetzt ist Effizienz gefragt.“
Sie selbst haben eine derartige Effizienzsteigerung im Militärschiffbau herbeigeführt. Wie geht das?
„Seit mehr als drei Jahren begleitet Lean Maritime eine große Militärwerft in Frankreich, um die Durchlaufzeiten für den Bau der Fregatten signifikant zu reduzieren und gleichzeitig die Produktivität der Arbeitsabläufe zu erhöhen. Hierfür haben wir in dem Unternehmen eine Denkweise etabliert, die auf den Lean Prinzipien beruht – angepasst an die Anforderungen eines komplexen Großbauprojekts. Dafür haben wir zunächst den gesamten Herstellungsprozess analysiert, vom ersten Stahlschnitt bis zum Innenausbau an Bord. Darauf aufbauend haben wir Abläufe optimiert, Verschwendungen reduziert und Lösungen für spezifische Unternehmensprobleme aufgezeigt. Parallel haben wir komplett neue Prozesse eingeführt und stabilisiert. Mithilfe von Mitarbeiterschulungen und spezielleren Team-Trainings konnten wir die neue Denkausrichtung und Herangehensweise nachhaltig in die Unternehmenskultur einbetten. Dies hat die Lieferzeiten und Herstellungskosten – je um einen zweistelligen Prozentsatz – reduziert.“
Welche Ihrer Top-Kompetenzen waren erforderlich, um den Militärschiffsproduzenten zukunftsfähig aufzustellen?
„Reorganisation, Projekt- und Prozessmanagement, Change Management, Planungsstrategie, Nachunternehmersteuerung und Digitalisierung von Arbeitsabläufen. Mithilfe dieser Fähigkeiten waren wir in der Lage, das Unternehmen zu stabilisieren und wettbewerbsfähig aufzustellen – nicht zuletzt, indem das Vertrauen der Auftraggeber in diese Werft nachhaltig gewachsen ist.“